Mehrheit der Deutschen will Strom-Anbieter treu bleiben

Mehrheit der Deutschen will Strom-Anbieter treu bleiben

Philipp Schneider - 30. Mai 2022

Der Anstieg der Energiepreise sorgt für Zukunftsängste. Eine Chance für Stromanbieter? Nur, wenn sie die Prioritäten der Verbraucher kennen und gezielt ansprechen.

Die Energiepreise steigen, die geopolitische Lage bleibt unsicher, und die Verbraucher sehen sich zunehmend mit immer höheren Preisen für Kraftstoff, Strom und Lebensmittel konfrontiert. Alles wird teurer und die Sorgen unter den Verbrauchern wachsen. In der aktuellen YouGov-Studie „Energiepreis-Steigerungen in Europa“, basierend auf Umfragen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, Spanien, Italien, Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland untersuchen wir die Sorgen und Zukunftsängste der Befragten in den jeweiligen Ländern aufgrund der Preissteigerungen. Mithilfe des Zielgruppen-Segmentierungs-Tools YouGov Profiles wirft der Report außerdem einen Blick auf die Präferenzen und Auswahlkriterien jener Verbraucher, die infolge der steigenden Preise den Energieversorger wechseln wollen und analysiert, welche Anbieter von dieser Zielgruppe in Betracht gezogen werden.

Preissteigerungen verunsichern die Verbraucher

In fast allen befragten Ländern wächst die Sorge aufgrund der Wirtschaftslage und steigender Energiepreise. Auf Länderebene zeichnet sich dabei eine deutliche Zweiteilung ab: Während sich Verbraucher in Deutschland (88 Prozent) und Südeuropa große Sorgen machen, sehen Befragte in Nordeuropa und der Schweiz der Wirtschaftslage mit deutlich weniger Sorgen entgegen. Diese Spaltung zeigt sich auch in den spezifischen Zukunftsängsten der Verbraucher: Während Deutsche, Spanier, Italiener und Österreicher sich am häufigsten Sorgen darum machen, dass die Wirtschaft bergab geht und ihr Lebensstandard sinkt, sagen Schweizer und norwegische Befragte dies seltener.

In Deutschland sind es insbesondere ältere Menschen, die sich zunehmend wegen der explodierenden Energiepreise sorgen (73 Prozent der Altersgruppe 55+), jüngere Deutsche hingegen sorgen sich deutlich weniger um Energiepreise (57 Prozent der 18- bis 24-Jährigen). Als Maßnahmen gegen die steigenden Preise befürworten deutsche Verbraucher vor allem Steuerreduzierungen, doch in der Zwischenzeit wird Geld und Energie gespart durch vermindertes Heizen, reduzierte Nutzung von TV/Computer sowie andere stromsparende Anpassungen.

Welche Energieversorger werden bevorzugt?

Trotz steigender Energiepreise plant die Mehrheit der Verbraucher hierzulande (59 Prozent) weiterhin nicht, ihren Energieversorger zu wechseln. Doch für diejenigen, die dies vorhaben, sind insbesondere die Preisstabilität, etwa, dass der monatliche Abschlag in nächster Zeit nicht angehoben wird, die Höhe der Beiträge sowie die Lieferstabilität des Anbieters die wichtigsten Auswahlkriterien. Unternehmen sollten diese Prioritäten berücksichtigen und die Verbraucher basierend auf deren Prioritäten gezielt ansprechen. Unter den Verbrauchern, die aktiv vorhaben den Energieanbieter zu wechseln, ist vor allem Eprimo und Vattenfall eine beliebte Wahl, beide Anbieter werben etwa mit Ökostrom sowie der Möglichkeit eigener Stromerzeugung (z.B. mit einer Solaranlage) und können die wechselwilligen Verbraucher damit gut erreichen. Eine Kombination aus preiswertem Strom und erneuerbarer Energie wird diese Zielgruppe der Wechselwilligen gut ansprechen, da sie sich zwar für Umweltschutz und Klimawandel interessieren, Ökostrom jedoch häufig als zu teuer einschätzen.

Steigende Energiepreise – eine Chance für Stromanbieter?

Die Zukunftsangst der Deutschen ist groß und der Ruf nach staatlichen Gegenmaßnahmen wird lauter. Der große Zuspruch für Steuerreduzierungen und die diesbezüglichen Pläne der Regierung dürften die Sorgen vieler Verbraucher in den kommenden Monaten etwas lindern. Die unsichere Wirtschaftslage bietet jedoch auch Chancen für Verbraucher und Unternehmen. Die Anbieter haben die Gelegenheit, neue Kundenstämme aufzubauen und Verbraucher an sich zu binden.

Gleichzeitig haben die Verbraucher die Möglichkeit, mit ihrem Geldbeutel aktiv die Wende hin zu „grüner“ Energie zu unterstützen. Allerdings stellt sich gerade hier die Frage, inwiefern sich die aktuell weiter steigenden Kosten und der damit einhergehende Kaufkraftverlust auf die Bereitschaft auswirken, für Strom aus Erneuerbaren tiefer in die Tasche zu greifen. Gerade in der gegenwärtigen Situation ist es für Energieanbieter hoch relevant, nah an den Verbrauchern dran zu sein, um schnell auf sich entwickelnde Trends reagieren zu können.

So erschienen in der WirtschaftsWoche.