Herausforderungen im Gesundheitswesen: Blick durch die Patientenbrille

Herausforderungen im Gesundheitswesen: Blick durch die Patientenbrille

Julia Wegner - 21. März 2024

Innovationen im Gesundheitswesen sind unerlässlich, um den stetig wachsenden Herausforderungen in der medizinischen Versorgung gerecht zu werden. Ein Bereich, der besonders im Fokus steht, ist die Entlastung von Ärztinnen und Ärzten, insbesondere angesichts des bevorstehenden Ärztemangels in der Schweiz. Doch wie kann die Akzeptanz für innovative Lösungen erhöht werden? Ein aktueller Report von YouGov Schweiz betrachtet diese Frage aus der Perspektive der Patientinnen und Patienten und diskutiert verschiedene Ansätze, um die Brücke zwischen neuen Technologien und der Schweizer Bevölkerung zu schlagen.

Die Ausgangslage: Bevorstehender Ärztemangel

Die Daten des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) sprechen eine klare Sprache: Bereits heute besteht nach OECD-Empfehlung ein Mangel an Hausärzten, und dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren voraussichtlich verstärken. Die demografische Entwicklung und die Ausbildungszeit neuer Ärzte lassen kurzfristig keine Entlastung erwarten. Das klassische Hausarzt-Modell erfreut sich in der Schweiz jedoch weiterhin grosser Beliebtheit. Während herkömmliche Lösungsansätze meist mittel- oder langfristig wirken, werden daher aktuell neue (digitale) Lösungsansätze entwickelt, um den Versorgungsengpass kurzfristig abzufedern.

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Die Studienergebnisse zeigen, dass die Schweizer Bevölkerung grundsätzlich sehr zufrieden mit ihren Hausärzten ist. Entsprechend macht es die hohe Zufriedenheit mit dem Status Quo schwieriger, Menschen zu Veränderungen zu bewegen.

Die Patientenperspektive im Fokus: Bewusstsein, Bereitschaft und Herausforderungen

Ohne den Menschen gibt es jedoch keine Lösung: Für die Anwendung und Akzeptanz von entlastenden Ansätzen sind letztlich die Patientinnen und Patienten entscheidend. Der erste Schritt, um die Bevölkerung zu erreichen, ist die Entwicklung eines Bewusstseins für den bevorstehenden Ärztemangel.

Tatsächlich erwarten mehr als die Hälfte der Befragten einen Mangel an Ärzten in den nächsten fünf bis zehn Jahren. Der Mangel und die Probleme werden für die gesamte Schweiz signifikant stärker eingeschätzt als für die eigene Gemeinde (sowohl für die Stadt- als auch für die Landbevölkerung). Somit tendieren viele Personen dazu, die Gefahr eines Versorgungsengpasses für andere etwas stärker einzuschätzen als für sich selbst. Auf eine ähnliche Weise zeigen die Daten, dass sich Personen, welche die Gesundheitsversorgung öfter in Anspruch nehmen, des Problems eher bewusst sind: Personen, die angeben weniger gesund zu sein, sowie Menschen in höherem Alter erwarten den Ärztemangel eher. Dies trifft auch für Frauen, Menschen mit höherem Haushaltseinkommen sowie Personen, die mit der aktuellen Gesundheitsversorgung unzufriedener sind, zu.

In Summe zeigt sich, dass ein grosses Potential dafür besteht, ein kollektives Bewusstsein für den Ärztemangel zu entwickeln – insbesondere dann, wenn kommunikative Massnahmen verstärkt versuchen auch Menschen, die sich weniger stark von dem Problem betroffen fühlen, für das Thema zu sensibilisieren.

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Anwendungsbereitschaft von Entlastungslösungen: Etablierte Kontaktoptionen und neue Technologien

In einem zweiten Schritt geht es darum, über das Problembewusstsein hinaus dieses auch in neue Verhaltensweisen zu übersetzen. Die Schweizer Bevölkerung zeigt grundsätzlich eine gewisse Offenheit für potenziell entlastende Lösungen, insbesondere dann, wenn es um bereits etabliertere Kontaktoptionen wie die Online-Terminvereinbarung oder Telekonsultationen geht. Doch auch neue Technologien wie künstliche Intelligenz und Remote-Lösungen werden in der Öffentlichkeit diskutiert. Die Anwendungsbereitschaft variiert je nach Art der Lösung; gerade Lösungen, die in Verbindung mit künstlicher Intelligenz stehen, werden aktuell jedoch eher abgelehnt. Immerhin etwa ein Drittel der Befragten wäre offen gegenüber unterschiedlichen Ansätzen, die den Menschen mehr Eigenverantwortung geben würden.

Insgesamt zeigt sich, dass Menschen, die den Ärztemangel erwarten, sowie Personen, die mit der aktuellen Gesundheitsversorgung zufriedener sind, sich auch eher zu neuen Lösungen bereit erklären. Allerdings gibt es auch Ausnahmen: Ältere und weniger gesunde Personen sind alternative Lösungen gegenüber weniger offen. Dies ist insofern ein Dilemma, da diese Zielgruppen einen hohen Anteil der Nachfrage der Gesundheitsversorgung ausmachen und bereits über ein vergleichsweise hohes Bewusstsein für das Problem verfügen. Die Ergebnisse der Studie sprechen also dafür, dass aktuelle Lösungen nicht die Bedürfnisse dieser Zielgruppen abdecken. Es gilt entsprechend bedarfsorientierte Lösungen zu entwickeln, um diese Gruppen besser anzusprechen und den Mehrwert der neuen Ansätze auch für diese Gruppen klar zu kommunizieren.

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Anforderungen an neue Lösungen zur Entlastung: Zwischenmenschliche Kompetenzen im Vordergrund

Wie aber sehen die Bedürfnisse der Bevölkerung bei einem Arztbesuch aus? Es zeigt sich, dass gerade zwischenmenschliche Kompetenzen wie Vertrauen, Freundlichkeit und genügend Zeit für die Patienten von grösster Bedeutung sind. Nur einem kleinen Segment ist es wichtig, Arzttermine schnell und effizient von zuhause aus abwickeln zu können. Das grosse Potential von entlastenden Lösungen ist demnach selten die Technologie an sich, sondern die Zeit, die diese Ärzten verschafft, um sich an den entscheidenden Stellen intensiver mit den Patienten auseinanderzusetzen. Diesen Kompromiss gilt es zu kommunizieren: Für die individuelle Bereitschaft, entlastende Ansätze anzuwenden, ist es dem Hausarzt im Gegenzug möglich, weiterhin eine adäquate Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Eine wichtige zukünftige Aufgabe wird daher sein, unter den Alternativen jene Massnahmen zu identifizieren, die Hausärzte am stärksten entlasten.

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Fazit: Brücken bauen für eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung

Um die Akzeptanz für innovative Lösungen zur Entlastung von Ärzten zu steigern, sind gezielte Kommunikationsbemühungen erforderlich. Dabei ist es wichtig, das Bewusstsein für den bevorstehenden Ärztemangel zu schaffen und die Vorteile neuer Technologien transparent zu kommunizieren. Lösungen sollten zudem auf die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben der Patienten zugeschnitten sein, um eine breite Akzeptanz und Anwendung zu erreichen.

Die Bewältigung des bevorstehenden Ärztemangels erfordert daher eine gemeinsame Anstrengung von Gesundheits-Stakeholdern und der Schweizer Bevölkerung. Marktforschung kann dabei die Rolle des Vermittlers übernehmen und helfen, die Lösungen von Morgen zu ermitteln.

Die besprochenen Daten sind Ergebnisse einer Umfrage im Rahmen von YouGov Surveys. Der Report wurde in Kooperation mit NZZ Connect anlässlich der Future Health Basel 2024 erstellt. Die Befragung wurde im aktiv rekrutierten und verifizierten Schweizer Onlinepanel von YouGov durchgeführt. Es wurden 1’216 in der Schweiz wohnhafte Personen im Alter von 18 bis 79 Jahren (repräsentativ nach Alter, Geschlecht und Sprachregion verteilt, jeweils auf Deutsch, Französisch oder Italienisch) befragt. Die Umfrage fand vom 09. bis 20. Februar 2024 statt.

Im vollständigen YouGov-Report zur Studie erhalten Sie unter anderem weitere Insights zu Themen wie Bevölkerungsbereitschaft zu alternativen Lösungen, wichtigste Kriterien für einen Arztbesuch aus Patientenperspektive oder eine Potenzialsegmentierung in die drei Gruppen «Vertrauenssuchender Patient», «Wohlfühl-Patient» und «Effizient-Enthusiast». Der Report kann kostenlos bezogen werden.