So sollten sich Baumärkte für den Kampf gegen Amazon rüsten

So sollten sich Baumärkte für den Kampf gegen Amazon rüsten

Philipp Schneider - 17. November 2020

Familienbesuche, Hobby, Urlaub – vieles war und ist wegen der Pandemie nicht möglich. Baumärkte haben davon bereits im Frühjahr profitiert, auch im Onlinehandel. Jetzt wollen sie den Boom aufrechterhalten.

Für viele Familien war der erste Corona-Lockdown im März eine Belastung: Kitas und Schulen mussten schließen, und auch die Abläufe im – vielerorts unter erstmalig – geschaffenen Homeoffice mussten sich erst einspielen. Für manch andere fühlte sich die Zeit ab Mitte März dagegen fast wie Urlaub an. Sie hatten endlich mal Zeit für Dinge, die sie schon lange machen wollten. So wurden am Wochenende der eigene Garten und die Wohnung fit gemacht. Das Ergebnis: lange Schlangen vor den Baumärkten und deutliche Auswirkungen auf die im YouGov BrandIndex gemessenen Marken-KPIs.

Bauhaus und Hagebaumarkt mit Kundenrekord

Etwa hinsichtlich der Frage, wer kürzlich bei oder von einer Marke etwas gekauft hat. Betrachtet man den Zeitraum von Anfang 2018 bis heute, erreichen Toom Baumarkt, Bauhaus und Hagebaumarkt hier Spitzenwerte. Besonders Bauhaus schneidet für die eigenen Verhältnisse dieses Jahr gut ab. Anfang August gaben zwölf Prozent aller Deutschen an, in den vergangenen Monaten etwas bei Bauhaus gekauft zu haben . Das ist der höchste Wert, den Bauhaus im Betrachtungszeitraum je erreicht hat. Auch Hagebaumarkt stellte im Frühling und Sommer 2020 einen Kundenrekord auf. Toom Baumarkt erreicht ein ähnlich hohes Niveau wie schon 2018 und 2019.

Obi konnte mit Blick auf die Kundenzahlen vom Lockdown nicht so stark profitieren wie die Mitbewerber, allerdings hat der Marktführer seit Jahren sowieso im direkten Vergleich mit Abstand die meisten Kunden.

Besonders erstaunen die Kundenzahlen angesichts der geringen Werbeaktivitäten der Baumärkte. Der Frühling war traditionell der Zeitraum, in dem die Verbraucherinnen und Verbraucher am meisten Werbung der Baumärkte wahrgenommen haben – zuletzt im Mai und Juni 2019 . Für diesen Zeitraum geben 16 (Bauhaus) bis 25 Prozent (Obi) der Deutschen an, eine Werbebotschaft registriert zu haben. Dieses Jahr aber ist die Frühlings-Werbe-Offensive ausgeblieben. Ob dies mit einer generellen Werbepause aufgrund der Pandemie, zu der sich viele Marken im Frühjahr entschlossen hatten, zu tun hat, kann hier nicht geklärt werden. Interessant ist allemal, dass die Umstände Werbung gar nicht erst nötig gemacht haben.

Der Preis ist ein wichtiges Argument

Eine weitere Konsequenz der Pandemie, die bis heute anhält: Der Onlinehandel profitiert. Und das gilt auch für die Baumärkte. Der BrandIndex zeigt, dass mehr Menschen als früher kürzlich online etwas aus dem Bereich Heimwerkerbedarf gekauft haben. Hornbach bestätigt diesen Trend: Nach eigener Aussage stieg durch die Pandemie der Online-Umsatz im ersten Halbjahr 2020 um zwei Drittel.

Wenn Menschen online einkaufen, profitiert in der Regel immer eine Marke besonders: Amazon. Tatsächlich haben bei keinem anderen Stationär- wie Online-Händler in den vergangenen zwölf Monaten mehr Menschen Heimwerkerbedarf eingekauft als bei Amazon, zeigt unser Zielgruppen-Analyse-Tool YouGov Profiles. Und das gilt sowohl für die Selbstmacher als auch diejenigen Kunden, die handwerkliche Aufgaben lieber von anderen erledigen lassen.

Das Wissen rund um die Gründe von Konsumenten, online statt offline einzukaufen, könnte Baumärkten helfen, ihr Online-Angebot weiter zu verbessern. Die meistgenannten: Online ist die Auswahl größer. Und: Es ist einfacher von zu Hause aus zu bestellen, als in einen Laden zu fahren. Diese Arten der Motivation für den Online-Einkauf werden sowohl von Heimwerkern am häufigsten genannt als auch von der Gesamtbevölkerung und gelten deshalb nicht ausschließlich für Baumärkte.

Es gibt jedoch die spezifischen Gründe für Heimwerker, online Angebote wahrzunehmen: Anteilig nennen die Heimwerker den niedrigeren Preis beim Online-Shopping und den einfachen Preisvergleich deutlich häufiger als die Gesamtbevölkerung. Über eine spezielle Preispolitik und Vergleichbarkeit könnten es die Baumärkte also schaffen, ihr Online-Angebot noch attraktiver zu machen.

Preis-Leistungs-Verhältnis deutlich besser geworden

Da online viele Produkte günstiger sind als im stationären Handel, müssen die Baumärkte dafür sorgen, dass die Filialen nicht zu sehr an Attraktivität verlieren. Was das wahrgenommene Preis-Leistungs-Verhältnis angeht, waren die Baumärkte damit schon sehr erfolgreich. Obi, Hornbach, Bauhaus, Toom Baumarkt und Hagebaumarkt verbessern stetig das von den Verbrauchern, die die Marken kennen, wahrgenommene Preis-Leistungs-Verhältnis. Wobei sich die Baumärkte besonders in den Jahren 2016 und 2017 in dieser Hinsicht stark verbessert haben.

Sollten die Baumärkte es schaffen, dieses gute Preis-Leistungs-Verhältnis auch auf das eigene Online-Angebot zu übertragen und gleichzeitig für eine große Auswahl zu sorgen, sollten sie nicht nur für den Wettbewerb mit den Baumarkt-Konkurrenten, sondern auch für den mit Amazon gut aufgestellt sein.

So erschienen auf Wirtschaftswoche Online.